Ob in der Bildung oder in anderen Bereichen: Deutschland braucht mehr Partnerschaften zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor. Ressourcen und Expertise zu teilen, eröffnet neue Chancen. Einige der besten Universitäten sind hier sehr aktiv, wie die TU München mit ihrem Zentrum für Innovation und Gründung. Wir freuen uns, seit einigen Monaten zum Kreis der Exzellenzpartner zu gehören. Eine ähnliche Partnerschaft unterhält Google mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Saarbrücken. Doch auch hier tun andere Länder mehr und fördern die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen mit öffentlich-finanzierter Forschung und Entwicklung wie beispielsweise die „Small Business Research Initiative“ in Großbritannien. Anreize für neue, kreative Partnerschaften zwischen privatem und öffentlichem Sektor könnten hierzulande insbesondere dabei helfen, das Thema Künstliche Intelligenz (KI) als Schlüsseltechnologie quer durch alle Branchen zu verankern.
Eric Schmidt (Board Member, Alphabet Inc.) und Wieland Holfelder (Vice President Engineering und Site Lead, Google München) bei der Besiegelung der Partnerschaft mit Wolfgang A. Herrmann, Präsident der TU München (Bild: A. Heddergott / TUM)
Eng verknüpft mit KI ist eine verantwortliche Nutzung von Daten. Der Zugang zu Daten für die Forschung, für Unternehmen und Verwaltung bei strikter Beachtung von Datenschutz und Datensicherheit setzt innovative Kräfte frei – weit über Branchengrenzen hinweg. Um es klar zu sagen: Verantwortliche Nutzung von Daten bedeutet nicht, dass Institutionen oder Unternehmen persönliche Daten von Bürgern austauschen. Es geht hier um anonymisierte Datensätze. Mit deren Hilfe werden Algorithmen trainiert, um in wichtigen gesellschaftlichen Bereichen wie der Medizin zu sprunghaft besseren Ergebnissen zu kommen. KI kann zum Beispiel helfen, Hautkrebs zuverlässiger zu erkennen als unsere besten Dermatologen dies vermögen. Aber um dies zu tun, benötigt die KI passende Vergleichsdaten: anonymisierte Bilder von Hautveränderungen, harmlosen und gefährlichen, um Krebszellen treffsicher zu identifizieren. Einen Rahmen für derart verantwortliche Nutzung von Daten zu schaffen bedeutet also auch Leben zu retten. Und es hilft deutschen Mittelständlern, die heute erfolgreich dermatologische Instrumente für den Weltmarkt produzieren, weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben.
Generell sollten Deutschland und Europa weiter daran arbeiten, den rechtlichen Rahmen zu vereinfachen, zu harmonisieren und flexibler zu gestalten, innerhalb Europas sowie mit seinen Handelspartnern. Der Europäische Digitale Binnenmarkt ist vermutlich der wichtigste Schritt in diese Richtung. Die Aussicht auf einen einheitlichen digitalen Markt mit 500 Millionen Verbrauchern ist äußerst vielversprechend, zumal Europa in Nordamerika und Asien mit riesigen Märkten konkurriert. Innovative Unternehmen können dort dank einheitlicher Standards und Plattformen oft schneller skalieren. Angesichts dessen sollte Deutschland hier eine Vorreiterrolle übernehmen und protektionistische Bestrebungen in Europa unterbinden. Denn die Versuche etablierter Branchen, Regulierung zur Absicherung ihrer Märkte einzusetzen, gehen immer zu Lasten von Verbrauchern und langfristigem Wachstum.
Außerdem hat Regulierung oft unbeabsichtigte „Nebenwirkungen“ wie die Europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Obwohl wir als Unternehmen dem Schutz der Privatsphäre unserer Nutzer schon immer oberste Priorität eingeräumt haben, haben wir fast zwei Jahre gebraucht, um die komplexen Vorgaben der DSGVO umzusetzen. Und bei der Unterstützung unserer Unternehmenspartner haben wir gemerkt, wie schwierig es gerade für kleinere Unternehmen und den Mittelstand war, die Auflagen der DSGVO vollständig zu erfüllen.
Ich glaube fest daran, dass Deutschland eine neue Ära von Unternehmertum und Innovation, eine neue Gründerzeit, einläuten kann. Die Bundesregierung hat einige Schritte wie die Einrichtung des Digitalkabinetts, die Industrie 4.0 Initiative sowie eine verstärkte Förderung des Start-up-Ökosystems eingeleitet. Und viele großartige Ideen kommen weiterhin aus Deutschland. Der Weltmarktführer bei Patenten für selbstfahrende Autos ist weder Uber noch Waymo, es ist Bosch aus Stuttgart. Dennoch ist der Weg noch weit. Es ist weiter kein deutsches Google oder Apple in Sicht. Und nur 5 Prozent der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter sind Gründer, in Kanada sind es fast viermal so viele.
Die Stanford Academy ist Vorreiter bei der Einbindung von Start-Ups in die Forschung.
Wir brauchen daher zum einen mehr öffentliche Mittel für junge Unternehmer, vor allem aber mehr Risikokapital für fortgeschrittene Gründungen. Wir sollten unsere Start-Ups, wie in Kalifornien bei der Stanford Universität, näher an die Forschung heranbringen, um die Lücke zwischen echten Erfindungen und neuen Unternehmen zu schließen. Wirtschaftlich erfolgreiche Innovation findet eben gerade oft an der Schnittstelle von Forschung und Anwendung statt. Und wir müssen Frauen und Vielfalt im Unternehmertum aktiv fördern, so wie ganz allgemein in der Gesellschaft. Vielfalt ist ein Motor für Innovation. Mir ist bewusst, dass wir bei Google hier auch besser werden müssen.
Ausschnitte aus dem Fireside-Chat von Tanit Koch, ehemalige Chefredakteurin BILD, mit Philipp Schindler bei der DMEXCO 2018.
Für mich bleibt Deutschland ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Zu den Stärken unseres Landes zählen kluge Köpfe, starke Unternehmen, eine Kultur der Ingenieurskunst und die Disziplin, erforderliche Veränderungen umzusetzen. Es ist viel zu tun. Deutschland muss neue, mutige Wege finden, um die digitale Zukunft aktiv zu gestalten. Dies ist eine der wichtigsten Aufgaben, vor denen wir Deutschen jemals standen. Es ist die Basis für eine neue Generation „Made in Germany“.